UX-Design, oder: Wie wir mit benutzerorientierten Methoden arbeiten
Als Brand- und UX-Designerin werde ich immer wieder gefragt, wie genau ein Usability- und User-Experience-Prozess aussieht. In diesem Beitrag stelle ich deshalb einzelne benutzerorientierte Vorgehensweisen eines UX-Prozesses vor.
Warum ist UX-Design denn so wichtig?
Der Service rund um ein Produkt ist heute oft das Produkt selbst. Daher ist eine intuitive, nutzerzentrierte und begeisternde Nutzererfahrung über alle Touchpoints hinweg sehr wichtig. Digitale Lösungen und Produkte sollen uns das Leben oder die Arbeit erleichtern. Und bevor eine solche neue Lösung entwickelt werden kann, muss ich mich zuerst mit den Problemen und Bedürfnissen der Benutzer*innen auseinandersetzen. Und genau das ist meine Aufgabe als UX-Designerin.
Den perfekten Prozess gibt’s nicht
Beobachten, relevante Kernaussagen ermitteln, entwickeln, gestalten, testen und weiterentwickeln: Das sind alle Teile des UX-Design- Prozesses. Es ist kein geschlossener Prozess, denn digitale Produkte entwickeln sich stetig weiter. Den perfekten UX-Prozess, in dem alle Methoden angewendet werden, gibt es oft nur in der Theorie. Aus Zeit- und Budgetgründen werden bei vielen Entwicklungsprojekten oft «nur» einzelne Methoden angewendet. Und das ist per se nicht schlecht, denn jedes Projekt hat andere Schwerpunkte und Herausforderungen, die es zu lösen gilt.
Zum Beispiel war bei einem vergangenen Projekt wichtig, den Nutzungskontext eines internen digitalen Tools einer spezifischen Benutzergruppe zu kennen. Dazu haben wir die Methode «Contextual Inquiry» angewendet, wörtlich die Untersuchung des Kontexts. Dabei führen Teilnehmende Aufgaben aus und sprechen gleichzeitig darüber, was sie gerade tun. Ich war sehr überrascht, wie viele Erkenntnisse man dadurch gewinnen kann.
Bei einem anderen Projekt ging es vor allem darum, eine Website zu analysieren und zu beurteilen. Dazu habe ich mir in den letzten Jahren einen Bewertungskatalog zusammengestellt, der mir dabei hilft, für grundlegende Themen schnell eine Analyse zu bekommen.
Aber zurück zu den Basics. Was gehört nun alles zum Prozess dazu? Eine kleine Einleitung in sechs Schritten:
1. Den Nutzungskontext verstehen
Zu Beginn ist es wichtig, sich ein Bild über die User und deren Bedürfnisse zu machen. Dazu gibt es diverse Ansätze, von Umfragen, Fokusgruppen und Datenanalysen über das Entwickeln von sogenannten Szenarien und Customer Journey Maps bis hin zu ethnografischen Methoden. Natürlich lassen sich Informationen auch anhand eigener Gesprächen und Workshops sammeln. Wichtig ist dabei nur herauszufinden, was die Ziele und Bedürfnisse der Nutzer*innen sind.
2. Nutzungsanforderungen definieren
In einem zweiten Schritt werden eine oder mehrere Nutzergruppen oder Personas definiert. In meinen Augen macht es bei kleineren Projekten oft Sinn, die Benutzer*innen zu gruppieren, da einzelne fiktive Personas zu beliebig sind. Neben den Zielen und Bedürfnissen der User hilft es oft auch, die Ziele des Unternehmens aufzulisten.
3. User Interface Design
User Interface Design, oder kurz UI-Design, ist mein Kerngebiet. Dazu könnte ich einen eigenen Blogpost schreiben (kommt bestimmt noch). Sobald man die Nutzungsanforderungen kennt, kann man eine Seitenstruktur aufbauen, die auch oft schon die Navigationsstruktur beinhaltet. Damit hat man das Grundgerüst der Website entworfen.
In einem nächsten Schritt werden Wireframes erstellt. Diese zeigen die Struktur und Inhalte der einzelnen Seiten auf. Beim Detaillierungsgrad gibt es grosse Unterschiede, von «echten» Inhalten, die auf allen Seitenebenen definiert sind, bis hin zu ganz einfachen «Skizzen», z.B. eines Onepagers. Hier können Inhalte diskutiert werden, ohne dabei ins Visuelle abzugleiten. Oft werden in dieser Phase bereits Produkte oder Services getestet, z.B. anhand eines (interaktiven) Prototyps.
Erst jetzt beginnt die Gestaltung, das sogenannte Visual Design oder auch User Interface Design. Zusammengefasst hat man bei der Gestaltung immer die Nutzerführung als Hauptziel vor Augen. Beim Visual Design spielen dabei vor allem Grid, Farbkonzept, Typografie, Bewegtbild und Icons eine wichtige Rolle. Hat man diese Komponenten definiert, kann man sich an die Umsetzung machen. Bei einer neu gebrandeten Website oder einem neuen Produkt muss man davor ein sogenanntes Look & Feel definieren – Moods davon, wie das Ganze wirken soll. Aber oft gestaltet man ein digitales Produkt innerhalb eines vorgegebenen Corporate Design. Nachdem alle Bestandteile designt sind, kann man sich an den Styleguide machen. Das ist eine Art Dokumentation für Entwickler*innen, in der alle wichtigen Informationen sauber aufbereitet sind.
In dieser Phase spielen wahrnehmungspsychologische Aspekte eine sehr grosse Rolle. Unser Sehsinn liefert 80% der Informationen aus der Umwelt, die im Gehirn verarbeitet werden. Dabei hängt unsere Wahrnehmung von verschiedenen Aspekten ab. Zum Beispiel von den aktuellen Handlungszielen, dem Kontext und der Lernerfahrung. Für das Auge ist es hilfreich, wenn Objekte gruppiert sind und genügend Farbkontraste vorhanden sind, denn Farben unterstützen das Erkennen von Objekten und Formen.
4. Content is king.
Ein weiteres wichtiges Thema ist für mich UX Writing. Denn in digitalen Produkten wird anders geschrieben als in gedruckten. Hier ist es besonders wichtig, die Texte in kurze Abschnitte mit Subheadings zu unterteilen, da die meisten Benutzer*innen die Texte nur scannen. Es gilt der Grundsatz: So wenig wie möglich – so viel wie nötig. Wichtig sind aussagekräftige Überschriften und strukturierte Texte. Das Wichtigste sollte immer zuerst stehen, denn wer weiss, wie weit die User scrollen. Korrekte Überschriftenhierarchien sowie optische Auflockerungen (Weissraum) helfen den Benutzer*innen, Gruppierungen schneller wahrzunehmen. Auch Verlinkungen sind hilfreiche Auflockerungen. Und das Wichtigste, fokussiere dich auf deine User, schreibe klar, prägnant und hilfreich.
5. Evaluation und Testing
In dieser Phase unterscheidet man zwischen qualitativen Tests wie Usability-Tests und User-Interviews und quantitativen Tests wie A/B-Tests oder Analytics und Befragungen. Mit Hilfe von Interviews oder Fragebögen können Gefühle, Meinungen und Wahrnehmungen evaluiert werden. Oder aber es wird das tatsächliche Nutzerverhalten evaluiert, z.B. durch Beobachtung. Das Testen beginnt bereits in der Konzeptionsphase und sollte immer wieder durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass ein Produkt gut funktioniert und von allen Usern verstanden wird. Es liefert uns Designer*innen wertvolles Feedback, das wir verarbeiten und in unseren Designprozess einfliessen lassen können.
Um Websites einer ersten Analyse zu unterziehen, habe ich mir in den letzten Jahren eine UX/UI-Checkliste erstellt. Diese beinhaltet Aspekte wie Wahrnehmung der Inhalte, Interaktionen, Inhaltsstruktur und Seitenaufbau, Feedback, Fehlermeldungen, Bedienbarkeit, Responsivität und Barrierefreiheit. Aber auch das visuelle Erscheinungsbild, die Konsistenz und Aufgabenangemessenheit einer Website sowie SEO-Richtlinien.
6. UX und Service Design
Service Design geht noch ein Stück weiter als UX Design und betrachtet Probleme aus einer ganzheitlichen Perspektive. Es hilft uns dabei, uns die Zukunft vorzustellen und die Schritte, die dahin führen, in realistische Phasen zu gliedern. Dabei ist es entscheidend , Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Business und Benutzer*innen in den Designprozess einzubeziehen. Ausserdem ist es wichtig, sich auf die User Journey zu fokussieren, das heisst zu schauen, was vor und nach der Serviceerfahrung passiert (und nicht nur während). Der Service wird dabei immer als ganzheitliches System angeschaut.
Alles oder nichts?
User Experience Design erfordert nicht immer einen aufwändigen und umfassenden UX-Prozess. Vielmehr sind es einzelne Methoden, die uns im Alltag begleiten und dabei helfen, die Nutzer*innen, ihre Ziele und das Erlebnis in den Mittelpunkt zu stellen. Mit der Zeit entstehen eigene Techniken, Checklisten und Sammlungen, die es ermöglichen, schneller und professioneller im UX-Prozess zu arbeiten. Meine Leidenschaft ist es, Menschen mit digitalen Erlebnissen zu begeistern, denn sie prägen unsere Emotionen und beeinflussen unser Handeln.