Von Lichttherapie bis Rotwein: 7½ kreative Überlebensstrategien

Es gibt Tage, da geht kreativ einfach nichts mehr - die Muse ist im Urlaub, die Laune im Keller und das Blatt gähnend leer. Das kenne ich nur zu gut. Was mir da manchmal hilft (und was nicht) - in siebeneinhalb Punkten.
Ein trüber Nachmittag Mitte Februar. Ein tapferer Sonnenstrahl kämpft sich durch die Wolkendecke, schafft es aber nicht bis zu uns ins Büro. Ich habe zu wenig geschlafen und bin im Motivationstief, im Inspirationsloch, im Nachmittagskoma - wie auch immer man es nennen will. Auf meiner To-Do-Liste steht ausnahmsweise nichts wirklich Dringendes. Schlimm für einen Prokrastinationsprofi wie mich: Nicht einmal ein bisschen Zeitdruck, der mich inspirieren könnte.
Es ist eigentlich ein Dauerthema, seit ich mit 18 zum ersten Mal mit Schreiben Geld verdient habe. Wie findet man Inspiration? Ich habe ein Arsenal an Tipps, die mir im Laufe der Jahre zugesteckt wurden und manchmal, bitzli, mit etwas Glück, auch funktioniert haben. Die könnte ich zusammentragen, denke ich plötzlich. Und wenn ich schon dabei bin, könnte ich sie auch gleich weitergeben.
Hier also meine sieben(einhalb) Tipps für Tage, wenn die Muse sich nicht blicken lässt.

1. Erst einmal das Gehirn austricksen
Im Winter kriegen wir zu wenig Licht und frische Luft – wir bleiben im warmen, halbdunklen Büro, bis uns der Sauerstoff ausgeht und wir halb einschlafen. Fangen wir also bei den Basics an, wenn wir nicht weiterkommen: Fenster auf, durchlüften, ein paar Schritte an die frische Luft.
Das ist nicht nur gut fürs Gefühl: Licht hebt die Stimmung und kurbelt die Serotoninproduktion im Gehirn an. Manchmal hilft es auch schon, Lampen einzuschalten. Oder gleich eine Sonnentherapielampe kaufen. Die stellt man sich dann 20 Minuten neben das blasse Gesicht und ballert Licht rein, um dem Gehirn einzureden: «Da ist Sonne, glaub mir, Ehrenwort.»

2. Neues Menü, bitte!
Jemand hat mir bezüglich Kreativität mal gesagt: Wenn du immer nur Pizza isst, wirst du nur immer verdaute Pizza reproduzieren. In anderen Worten: Wenn du immer dasselbe konsumierst, kannst du auch nichts anderes kreieren. Mein zweiter Tipp ist darum: Erweitere deinen Horizont. Hör in ein ungewohntes Musikalbum rein, geh spontan einen Film schauen, den du nicht auf der Liste hast (ins Kino - damit die nicht alle schliessen müssen), bestelle im Restaurant das seltsame Gericht, das du seit Wochen beäugst.
Vielleicht bestätigt es nur wieder, dass dein Geschmack schon gefestigt ist und alles andere einfach weniger gut. Aber selbst diese Erkenntnis kann hilfreich sein. (Meine letzte Horizonterweiterung war ein 500-seitiger Krimi, der mich wochenlang endlos frustriert hat. Dafür habe ich jetzt Yakisoba für mich entdeckt!)

3. Brich deine Routine
Routine ist ganz gemütlich, bis man versehentlich drin stecken bleibt und sie durchbrechen muss. Biege auf dem Heimweg in eine andere Strasse ein, probier dich durch irgendwelche Rituale, die gerade in Mode sind – vielleicht passt ja eins zu dir. Probier Journaling, oder nimm dir am Morgen ein paar Momente, um mit deinem Kaffee nachdenklich aus dem Fenster zu blicken.
Was immer dich aus dem Alltagstrott befreit, auch nur für ein paar Minuten, bringt dein Gehirn raus aus dem Autopilot-Modus. Neue Reize bedeuten neue Gedanken. Vielleicht ist kein besonders schlauer dabei, aber selbst ein halb-gescheiter Gedanke kann den Stein ins Rollen bringen.

4. Mach einen Artist Day
Diesen Tipp habe ich von einem Dramaturgie-Dozenten, aber er ist für alle anwendbar. Plane gezielt Zeit ein, z.B. einen Sonntagnachmittag im Monat, um dich inspirieren zu lassen. Es muss nichts kompliziertes sein. Du könntest einen besonderen Ort in der Stadt aufsuchen (warst du schon mal beim Friedhof Fluntern?) oder an eine Ausstellung, eine Theateraufführung, whatever. Wichtig ist: Du gehst allein. Keine Ablenkung, kein Socializing, nur du und dein Kopf.
Das Schöne daran: Man muss keine konkrete Idee mitnehmen. Alles, was du siehst und aufnimmst, verarbeitet dein Gehirn später von selbst.

5. Halte Momente fest
Die witzige Interaktion zwischen zwei Teenagern an der Bushaltestelle? Schreib sie dir auf. Die schöne Farbkombi von Herbstlaub in einer Regenpfütze? Mach davon ein Foto. Nichts davon muss im Moment gut sein – aber aus einem solchen flüchtigen Fragment kann irgendwann plötzlich eine Idee entstehen.
Dazu braucht man keine ausgeklügelten Systeme. Ein Notizbuch oder das Smartphone genügen. Wenn du aber gerne eine App dafür hättest: Lade dir Evernote runter.

6. Die 5-Minuten-Übung
Ein Klassiker für Schreiberlinge, der sich aber auch für Konzepte eignet: Stift und Papier, Timer auf fünf Minuten und einfach losschreiben. Ohne nachzudenken, ohne zu stoppen. Es geht nicht darum, gut zu sein (man muss es nicht einmal lesen können), sondern einfach die Gedanken fliessen zu lassen. Es hilft, den Kritiker im Kopf einmal auszuschalten und einfach was festzuhalten.
Manchmal kommt nichts Brauchbares raus. Aber oft entdeckst du kleine Ansätze, die du später weiterentwickeln kannst – oder dein Kopf ist einfach frei. Schreiben ist so gar nicht dein Ding? Dann probiere die 5-Minuten-Übung mit Mindmaps oder Skizzen.

7. Talk it out
Hören wir mit einem weiteren Basic auf, den man sich aber ruhig wieder mal zu Gemüte führen kann: Rede über das Projekt, die Aufgabe oder das Problem. Am besten mit jemand anderem, im Notfall auch nur mit dir selbst (Sprachnotizen tun es auch). Reden hilft, Gedanken zu sortieren, und oft entdeckst du dabei selbst, was funktioniert und was nicht – ein kleiner «Spiegeleffekt».
Bonus-Tipp: Sprich mit jemandem, der oder die nicht im Projekt involviert ist. Aussenstehende haben oft die frischesten Perspektiven und die besten Ideen.

Bonus: Find your poison
Eine meiner ersten wirklich schlimmen Schreibblockaden hatte ich bei meiner ersten wirklich wichtigen Deadline. Mein Lehrer sagte, halb im Scherz, ich könne es ja mal mit Rotwein probieren - das habe schon vielen grossen Schriftsteller*innen geholfen. Ein paar Tage später war ich bereit, den Rotwein in der Hand, den blinkenden Cursor im leeren Dokument.
Ich schlief ein, bevor ich auch nur eine Seite geschrieben hatte.
Was ich damit sagen will: Inspiration ist eine launische Freundin. Sie kommt aus dem Nichts und verlässt dich, wenn du sie am meisten brauchst. Dagegen gibt es leider kein Rezept. Wenn dir also Rotwein hilft, dann Prost! Wenn nicht: Such weiter.
Wie bei jeder launischen Freundin habe ich gelernt, dass sie Anhänglichkeit nicht mag. Wenn du verzweifelt versuchst, sie zu finden, wirst du sie wahrscheinlich noch mehr verscheuchen. Also klapp den Laptop zu, geh raus, lenk dich ab. Tu so, als wäre es dir eigentlich ganz egal. Und vielleicht, nur vielleicht, kommt sie dann von alleine zurück.
